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CO₂-neutraler EnergieträgerAxpo eröffnet die grösste Wasserstoff-Fabrik der Schweiz – aber da fehlt etwas

Das Wasserkraftwerk Reichenau liefert den Strom, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten: Wasserstoff-Anlage in Reichenau.

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Die Axpo will ein Zeichen setzen. Das Energieunternehmen eröffnet heute im bündnerischen Reichenau die schweizweit grösste Produktionsanlage für grünen Wasserstoff (H2). «Wir sind vom Potenzial des erneuerbaren Energieträgers überzeugt», sagt Axpo-Chef Christoph Brand.

Grün wird der Wasserstoff bezeichnet, weil er CO2-neutral produziert wird. Die Produktion ist im Prinzip einfach: Die Anlage steht direkt beim Wasserkraftwerk Reichenau, das den Strom liefert, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Fachleute nennen diesen Prozess Elektrolyse. (Mehr dazu: Natürlicher Wasserstoff: Neue Ära in der Energiegewinnung?)

Das Gas wird dann noch in der Anlage stark verdichtet und schliesslich per Lastwagen an die Kunden geliefert. Zum Beispiel an H2-Tankstellenbetreiber wie etwa die Coop-Tankstelle in Chur, wo Brennstoffzellen-Lastwagen tanken. Oder an die Industrie, die Wasserstoff für Hochtemperaturprozesse verwendet.

Die Anlage soll jährlich 350 Tonnen Wasserstoff produzieren. Damit könnten pro Jahr bis zu 1,5 Millionen Liter Diesel eingespart werden, teilt die Axpo mit. Das Energieunternehmen will vorangehen: So plant es auf dem Vierwaldstättersee ein wasserstoffbetriebenes Passagierschiff. Der Treibstoff wird aus einer H2-Produktionsanlage in Bürglen stammen. Weiter prüft die Axpo die Machbarkeit einer Anlage auf Sizilien, die 40-mal grösser sein soll als jene in Reichenau. Zudem ist sie bei der Entwicklung einer «H2-Fabrik» dabei, die zu den grössten Italiens gehören soll.

Die Axpo ist nicht die erste H2-Produzentin der Schweiz. Der Betreiber Wasserstoffproduktion Ostschweiz hat 2022 eine etwas kleinere Anlage in St. Gallen eröffnet. Seit 2020 produziert Hydrospider in Niedergösgen Brennstoff für den Betrieb von H2-Lastwagen. Eine weitere Anlage für mehrere Hundert Wasserstoff-Laster soll folgen. Insgesamt gibt es bisher fünf Produktionsanlagen. (Lesen Sie hier die Geschichte über den vergessenen Schweizer Wasserstoffpionier Markus Friedl)

Strategie des Bundesrats

Diese Unternehmen investieren in Wasserstoff, obwohl es in der Schweiz bis heute keine eigentliche Wasserstoffstrategie gibt. Im Gegensatz zur EU, die bereits 2020 festgelegt hat, wie sie die Wasserstoffwirtschaft künftig aufbauen will. Unumstritten unter Experten ist, dass ohne diesen Brennstoff die Klimaneutralität bis 2050 nicht erreicht werden kann.

Der Bundesrat will deshalb noch in diesem Jahr eine Wasserstoffstrategie vorlegen. Er hat im November in einem Bericht auf ein Postulat durchblicken lassen, welche Rolle Wasserstoff in der Schweiz künftig spielen soll. Der Brennstoff soll vor allem dort zum Einsatz kommen, wo es keine erneuerbaren Alternativen in der Schweizer Energieversorgung gibt. In erster Linie also bei Hochtemperaturprozessen in der Industrie, wo heute unter anderem fossiles Gas eingesetzt wird. Oder im Schwerverkehr und in der Luft- und Schifffahrt, wo eine Elektrifizierung derzeit noch wenig Sinn ergibt.

Wasserstoff wird aber auch immer mehr als Brennstoff für Reserve-Kraftwerke ein Thema, auf die der Bund als Versicherungslösung setzt, falls im Winter Kernkraftwerke nicht mehr am Netz sind und es an erneuerbarem Strom mangelt. Die Axpo plant in Muttenz ein Reservekraftwerk, das dereinst mit Methanol laufen soll – ein flüssiger Brennstoff auf der Basis von Wasserstoff.

Viele Unsicherheiten

Noch gibt es jedoch keinen Plan, wie die Schweiz die Wasserwirtschaft vorantreiben will. Eine Förderung der Wasserstoffproduktion gibt es bisher nicht. Bisherige Projekte für die H2-Produktion seien aus Eigeninitiative der Wirtschaft entstanden, heisst es im Wasserstoff-Bericht der Axpo.

Für die Zukunft stellt sich die Frage: Wie viel grünen Wasserstoff die Schweiz überhaupt braucht und wie viel in der Schweiz herstellbar ist. Die Modelle dafür klaffen je nach Annahmen weit auseinander. Die Axpo schätzt in ihrem Bericht, dass der Bedarf nach reinem Wasserstoff in der Schweiz 2050 etwa 125’000 Tonnen pro Jahr betragen könnte. Auch die Energieperspektiven 2050+ des Bundes rechnen mit ähnlichen Zahlen.

Der Strombedarf für die inländische Produktion würde aber dabei stark ansteigen, weil die H2-Produktion sehr viel Energie verschlingt. Energieexperten gehen deshalb davon aus, dass ein grosser Anteil des Wasserstoffs kostengünstiger importiert werden muss.

Kritische Stimmen

Es gibt aber auch warnende Stimmen. Etwa der ETH-Energieexperte Anthony Patt. Werde Wasserstoff richtig hergestellt und verantwortungsvoll verwendet, könne das reaktive Gas für die Energiewende eine wichtige Rolle spielen, sagt er in einem Blog. Und kritisiert jene Lobbygruppen, die politisch darauf drängen, Wasserstoff so breit wie möglich einzusetzen. «Wird Wasserstoff zur Wärme-​ oder Stromerzeugung konsumiert, geht mehr als die Hälfte der aufgewendeten Energie verloren», schreibt Patt. Für ihn gibt es ohnehin nur eine Variante: Grüner Wasserstoff. Heute wird er jedoch vorwiegend aus Erdgas mit einem starken CO2-Ausstoss hergestellt.

Wird Wasserstoff im Schwerlastverkehr eingesetzt, ist der erneuerbare Brennstoff gegenüber Diesel- und Benzinfahrzeugen bald konkurrenzfähig. Gegenüber der Elektromobilität wird jedoch Wasserstoff immer teurer bleiben. Würde er in Reservekraftwerken wieder verstromt, wären die Kosten für H2 in der Stromproduktion im Vergleich zu Wasserkraft und Solarenergie deutlich höher. Es braucht also Fördermassnahmen. Die Axpo erwartet deshalb einen Plan im Strategiebericht des Bundesrats. 

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