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Sezierer des Alltags

Zwei Stunden vor dem Auftritt steht Josef Hader in der Garderobe des Berliner Kabarett-Theaters Die Wühlmäuse und schaut konsterniert auf ein gebrauchtes Kaffeepad. Es kommt nur eine dünne Plörre aus der Kaffeemaschine, etwas stimmt nicht.

An der Garderobenwand: Plakate von Zarah Leander oder Karl Dall, die in diesem Traditionshaus aufgetreten sind. Hader gilt als Österreichs erfolgreichster Kabarettist, längst ist er auch in Deutschland ein Star. Der Wahlwiener, 52 Jahre alt, Familienvater, ist ein unscheinbarer Mann. Sein Privatleben, steht auf Wikipedia, schirme er «konsequent von der Öffentlichkeit ab». Er ist nicht klein und nicht gross, trägt eine Brille und ein farbloses Hemd. Es ist, auf den ersten Blick, nichts Komisches an Josef Hader, an seiner Erscheinung, auch sagt er im Gespräch selten direkt lustige Dinge. Trotzdem könnte man sich kaputtlachen, wie er so dasteht, glücklos an der Kaffeemaschine. Es ist etwas an seiner Körpersprache, seiner Gestik. Ja, man fühlt sich fast wie in einem Sketch von ihm, wie er dann lakonisch von seiner wunderschönen alten Handhebelkaffeemaschine zu erzählen beginnt, die er vor langer Zeit in Italien gekauft habe. Was Hader auszeichnet, ist ein – man könnte sagen – Beiläufigkeitshumor. Er ist ein leiser Sezierer des Alltäglichen, des Tragischen auch. Er kann einen grossartigen Hundeblick aufsetzen, wirkt stets ein wenig neben den Schuhen. Hader ist kein Mann für die lauten Spässe. Seine Texte balancieren am Rand der Pointe.

Auch im Kino erfolgreich

Der Kaffee bleibt wässrig, Hader gibt auf. «Ich trinke das jetzt einfach. Fangen wir an.» «Herr Hader, was beschäftigt Sie zurzeit?» – «Eine Erkältung. Das klassische Herbsttournee-Gefühl: bisschen runtergerockt.» Neben der Tour, erzählt er, sei er gerade mit der Postproduktion der neuen Verfilmung eines Wolf-Haas-Krimis beschäftigt, die im März in die Kinos kommt. Josef Hader ist nämlich nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Film sehr erfolgreich. Er spielt in den Bestselleradaptionen den schrulligen Privat­ermittler Brenner; an den Drehbüchern arbeitet er ebenso mit. «Komm, süsser Tod» (2000), «Silentium» (2004) und «Der Knochenmann» (2009) hiessen die Kinohits, nun kommt «Das ewige Leben».

«Und abgesehen vom Beruflichen, was beschäftigt einen? Weihnachts-Fan?» – «Nicht so, nein.» – «Und sonst so, in der Welt?» – «Na ja», er zuckt die Schultern, «ich bin halt auch so ein am Geschehen teilnehmender Bürger. Es ist relativ viel Stagnation im Land, in der Politik. Das sieht man nicht so gern.» Einmal warmgelaufen, kann man sich mit Josef Hader sehr klug und ernst über Politik unterhalten. Es macht ihm Sorge, wie einige Dinge jetzt wieder so seien wie vor 100 Jahren. «Übrigens auch die Einkommensverteilung», habe er gelesen: «Und Krieg wird wieder stärker als Mittel der Politik gesehen.» Graut ihm, wenn er morgens die Zeitung aufschlägt? Hader, lapidar: «Ich schlag morgens kaum eine Zeitung auf.» – «Ah nein?» – «Das Problem ist, ich kann keine abonnieren, weil ich so viel unterwegs bin. Gleichzeitig hasse ich Hotelfrühstücke, das heisst, ich geh nie runter, sondern bleibe immer auf dem Zimmer. Ich schlage dann das Internet auf.»

Auf seinen Tourneen macht Hader auch gerne in der Schweiz halt. Verfolgt er, was hierzulande passiert? Den Koran-Basher Andreas Thiel kennt er nicht, aber Ecopop hat er mitbekommen. Er kommt auf Österreichs repräsentative Demokratie zu sprechen, bei der die Leute öfter mal ein Ohnmachtsgefühl überkomme, weil sie den Eindruck hätten, nichts entscheiden zu können. Hader sagts so: «Ich habe Respekt davor, wie liberal in vielen Kantonen in der Schweiz bestimmte Gesetze sind, auch aufgrund von Volksabstimmungen. Ich frag mich, ob das in Österreich ebenso möglich wäre. Ja, die Schweiz ist traditionell ein Vorbild.»

Kronenhalle und Tibits

«Grosse Frage, Herr Hader: Wiener Schnitzel oder Züri-Gschnätzlets?» – «Haha, da muss ich sagen, dass ich in beiden Städten am liebsten italienisch esse.» Allerdings sei er von Gerhard Polt auch mal in die Kronenhalle mitgenommen worden: «Gerhard isst wahnsinnig gern da, und er hat mich eingeladen. Er hat mir auch alles erzählt, also welche Gemälde von welchen Künstlern für ein Mittagessen dagelassen wurden... Aber ob ich jetzt unter einem Chagall oder unter einem Hodler gesessen habe, das weiss ich nicht mehr.» Er erinnert sich dafür an das vegetarische Buffet im Tibits, das er immer ausgezeichnet findet.

Was er sonst noch zu Zürich sagen könne: «Für jemanden, der ausreichendes Kleingeld hat, ist Zürich natürlich eine angenehme Stadt.» Auch sei er, als er Ende der 80er-Jahre das erste Mal da war, «erschlagen gewesen davon, wie international Zürich ist». In Wien sei damals «noch ziemlich der Deckel drauf» gewesen.

Hader ist auf einem Bauernhof aufgewachsen, doch er findet «Städte grundsätzlich angenehmer zum Leben», und wenn er in der Schweiz wohnen würde, «dann wahrscheinlich schon in Zürich». In einem kleineren Ort würde er es nicht gut aushalten, was eben auch der Kindheit geschuldet sei. «Es war eine schöne Kindheit, aber ich hatte immer einen Drang wegzugehen, wollte immer irgendwohin, wo mehr Kultur war.» Der Bauernsohn interessierte sich für Film, Theater, «alles, was es auf dem Land nicht gab». Und: «Wien war von Anfang an Ort der Sehnsucht.» Die Haders hätten Verwandte in der Stadt gehabt, und zu Weihnachten sei man zum Grosseinkauf hingefahren. Hader, schwelgend: «Ich bin als Kind im Kaufhaus immer ganz selig Rolltreppe gefahren.»

In der Schule habe er begonnen, Kabarett über Lehrer zu machen. «Kabarett über Lehrer ist so ähnlich wie politisches Kabarett in der Diktatur: Man hat etwas mehr Wirkung als sonst und ein sehr begeistertes Publikum.» Danach sei es einfach Schritt für Schritt weitergegangen, immer ein bisschen erfolgreicher. Schaffenskrisen? Hader erinnert sich an sein erstes Mal in Deutschland: «Damals hab ich noch sehr politisches, sehr österreichisches Kabarett gemacht, und ich hab voll eins auf den Deckel bekommen. Es gab einen grossen Verriss in der ‹Süddeutschen Zeitung›, dem verdanke ich viel.» Wegen des Verrisses habe er sein Kabarett komplett umgestellt. Die Kritik habe allerdings schon geschmerzt: «Ganz konkrete Magenschmerzen waren das», sagt Hader, der übrigens noch eine Stunde vor dem Auftritt die Ruhe selbst ist. «Das passt schon», sagt er, als man auf die Uhr schaut. Hader vergleicht den Kabarettisten mit dem Musiker. Es brauche ein bisschen Perfektion, aber auch Spontaneität. «Man braucht», sagt er, «dass man sich nix scheisst.» Schlimmstenfalls, hat man das Gefühl, könnte er auch einfach einen Monolog über eine kaputte Kaffeemaschine halten.

tipp